28. April 2022

Von der Gästeunterkunft zum Grandhotel – Das Hotel Vier Jahreszeiten feiert 125-jähriges Jubiläum

Die Grande Dame der Hotellerie wird 125! – Seit 1897 zieht das Hotel Vier Jahreszeiten Gäste aus aller Welt an. Erst Ende letzten Jahres sicherte sich das Team um Hoteldirektor Ingo C. Peters erneut den Titel als „bestes Grandhotel“.

Wie Hotelgründer Friedrich Haerlin eine unscheinbare Gästeunterkunft mit 11 Zimmern in ein Luxus-Hotel verwandelte, was Ingo C. Peters spannendster Dachbodenfund war und wie es sich anfühlte, als das Hotel während der Pandemie erstmalig in seiner Geschichte geschlossen wurde, verrät uns der Hamburger Hoteldirektor im Interview.

 

Interview: Im Gespräch mit Ingo C. Peters

 

Lieber Herr Peters, das Hotel Vier Jahreszeiten wir 125 – dazu gratulieren wir Ihnen ganz herzlich!
Als der gelernte Stuttgarter Kaufmann Friedrich Haerlin das heutige 5-Sterne-Luxus-Haus 1897 erwarb, war es ein kleines unscheinbares Hotel mit 11 Zimmern. Wie hat sich das Hotel Vier Jahreszeiten zu seiner heutigen Größe und seinem Ansehen entwickelt?

Ingo C. Peters: Friedrich Haerlin war ein sehr durchdachter Hotelier. Mit viel Geschick konnte er die Gebäude rechts und links vom Hotel dazu erwerben. Das Haus, das er ursprünglich kaufte, ist unser heutiges Kaminzimmer, die Wohnhalle. Das war die gesamte Größe des Hotels, die Hausnummer 11.

Wenn man jetzt vor dem Hotel steht, hat er auf der linken Seite die Nummern 10 und 9 hinzu erworben, dann die 12, die 13 sowie die 14. Er hat also insgesamt sechs Häuser miteinander verbunden. Anfang der 1920er Jahre stockte Haerlin die Häuser auf fünf Stockwerke auf und versah sie mit dem heutigen grünen Kupferdach. Danach hat Haerlin angefangen, in die Tiefe zu expandieren. Das heißt, er hat nach hinten weitere Häuser dazugekauft. Heute haben wir 50 Einheiten, die zur Binnenalster und noch ungefähr 100 Zimmer, die zum Innenhof ausgerichtet sind. So hat Friedrich Haerlin expandiert. Das geschah über mehrere Jahre, bis das Hotel Anfang der 1930er Jahre komplett in der Form entstanden war, wie es heute ist.

 

Friedrich Haerlin war demnach ein vorausschauender und optimistischer Mensch?

Ingo C. Peters: Man muss es ja so betrachten, dass er nicht alles auf einmal gebaut hat. Stattdessen hat er mit einem kleinen Stück begonnen und als es wirtschaftlich gut lief, hat er das nächste Haus gekauft. Schließlich hatte er wieder Geld in der Kasse und fuhr entsprechend fort. Das heißt, er konnte sich das Hotel sukzessiv aufbauen. Der Vorteil war einfach, dass er merkte, dass er auf dem richtigen Weg ist. Er war erfolgreich und konnte zusätzlich immer weiter expandieren.

 

Prägt die Persönlichkeit Haerlins heute noch das Hotel Vier Jahreszeiten?

Ingo C. Peters: Ich habe hier im Hotel Vier Jahreszeiten Anfang der 1980er Jahre gelernt. Das Hotel befand sich zu der Zeit noch im Familienbesitz. Friedrich Haerlins Sohn Fritz, der das Hotel um 1936 herum übernommen hatte, war kurz zuvor verstorben. Doch seine Frau war hier noch tätig. Zudem die beiden Töchter. Das heißt, Fritz Haerlin hatte noch im Hotel gelebt, kurz bevor ich meine Ausbildung begann. Und natürlich lebt der Service-Gedanke der Familie Haerlin auch heute noch weiter.

Fritz Haerlins Prämisse war ja immer, dass wir die Gäste so bedienen und einen solchen Service anbieten, als hätten wir zu Hause Freunde, Verwandte oder Bekannte eingeladen. Dann macht man auch seine Wohnung hübsch und zieht sich selbst etwas Schönes an und kocht etwas Tolles. Man stellt Blumen auf und sagt: „Mensch, schön, dass ihr da seid! Ich freue mich sehr darüber!“

Das hatte schon immer oberste Priorität: Mit Herzlichkeit Gastgeber sein. Keine auswendig gelernten Floskeln abspielen. Jeder darf individuell die Gäste begrüßen. Man soll sich immer vorstellen, man habe Gäste zu Hause: liebe Freunde, die man eingeladen und vielleicht lange nicht gesehen hat und dann mit dieser Herzlichkeit und solch einer Exaktheit auftreten, dass man gut angezogen ist, frisiert ist, dass der Arbeitsplatz, die Abteilung aufgeräumt ist. Dass man einfach gut dasteht, in seinem besten Licht. Das machen wir heute noch genauso. Die einzige Vorgabe, die ich gebe, ist, dass wir den Gast mit der Tageszeit ansprechen. Also „Guten Morgen“, „Guten Tag“, „Guten Abend“ und immer den Namen benutzten. Aber alles zwischendrin kann der Mitarbeiter in seiner Individualität selbst wählen.

 

Das Hotel Vier Jahreszeiten hat in seinen 125 Jahren viel erlebt. Zwei Weltkriege, Beschlagnahmung zu Kriegszwecken, Besatzung durch die britische Siegermacht…
2018 veranstaltete das Grandhotel einen Charity-Verkauf zugunsten des Wohnprojekts „Festland“ für chronisch Kranke von Hamburg Leuchtfeuer. Dafür wurden einige Dachboden-Funde versteigert, die sich in den vergangenen 120 Jahren hier angesammelt hatten. Gab es einen Fund, der Sie selbst überrascht oder bewegt hat?

Ingo C. Peters: Wir haben ja sehr viele Kleinigkeiten aber auch Bilder, Fotoaufnahmen, alte Möbel und Teppiche versteigert. Dekoration und Vasen verkauft… Und: wir haben einen Schlüssel gefunden. Das fand ich sehr interessant. Da habe ich ein bisschen nachgeforscht: Es ist anscheinend der Ursprungsschlüssel vom Hotel, als es damals gekauft wurde! Wir haben ihn jetzt bei uns im Grand Salon, in einem unserer Festsäle, ausgestellt. Wir haben damals gesagt: „Der passt doch nirgends dazu!“ Er war zu groß für Möbelstücke und auch für irgendwelche Türen – das haben wir geprüft. Wir haben ihn überall ausprobiert und schließlich mit Fritz Haerlins Töchtern gesprochen. Es ist anscheinend wirklich der Originalschlüssel von früher. Den haben wir dann natürlich nicht versteigert!

 

Das Hotel Vier Jahreszeiten hat ja bereits einige schwere Zeiten überstanden. Für Sie waren die vergangenen zwei Jahre in der Corona-Pandemie auch nicht einfach. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Ingo C. Peters: Als schwierig. Wie Sie schon vorher sehr richtig angemerkt haben, hat das Hotel schon sehr viel erlebt: zwei Weltkriege, Besatzung durch die Engländer nach dem Zweiten Weltkrieg von ´45 bis ´52… Aber es war noch nie geschlossen!

In der Pandemie kam es überhaupt zum ersten Mal vor, dass wir tatsächlich dieses Hotel abschließen mussten. Das war ein sehr, sehr mulmiges Gefühl, wenn auf einmal die letzten Gäste gegangen sind und du stehst dann da und begegnest niemandem mehr. Das war so ein bisschen wie in einem Horrorfilm. Ein bisschen gruselig…

Doch wir haben die Zeit gut genutzt. Wir waren vorbereitet. Man hat ja nie mit einer Pandemie gerechnet, aber schon damit, dass uns irgendwann die Präzession einholt. Wir waren darauf vorbereitet, weil es eben schon sehr lange sehr gut ging. Daher hatten wir Rücklagen gebildet, sodass wir dann sozusagen agieren konnten. Wir haben in der Zeit viele neue Bereiche schaffen und einiges renoviert.

Dadurch haben wir ein positiv-vorausschauendes Gefüge für das Hotel geschaffen: Wir arbeiteten im Hotel weiter und dachten, wenn wir da rauskommen, sind wir stärker als vor der Pandemie. Durch unsere Eigentümerfamilie Dohle hatten wir das Glück, dass allen Mitarbeitern zwei Jahre lang das Kurzarbeitergeld auf hundert Prozent aufgestockt wurde. Jeder hatte 100 Prozent das, was er vorher hatte. Dadurch war die Motivation groß. Als wir aus der Pandemie rausgekommen sind, hatten wir einen vollen Mitarbeiterstamm. Sie haben sicher auch gelesen, dass der Fachkräftemangel in der Hotellerie besonders groß ist. 30 bis 35% der Mitarbeitenden aus der Hotellerie sind in andere Branchen abgewandert. Die kommen auch nicht wieder zurück. Dadurch, dass wir uns gut um die Mitarbeiter gekümmert und auch das Produkt weiter vorangebracht haben, konnten wir wieder mit der vollen Mannschaft starten.

 

Haben Sie den Kontakt zu Ihren Mitarbeiter:innen gehalten?

Ingo C. Peters: Ja, wir haben immer den Kontakt gehalten! Wir haben eine Social Media-Gruppe gegründet. Ich habe Videos davon aufgenommen, was im Hotel passiert, wie ich die Pandemie einschätze, wann wir eventuell wieder aufmachen und so weiter. An Weihnachten und an Ostern haben wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, ins Hotel zukommen und sich einen Gruß aus der Küche abzuholen – zu Weihnachten gab es eine Ente mit Beilagen und zu Ostern ein tolles Spargelmenü. So haben wir immer Kontakt gehalten.

Was wir außerdem gemacht haben: Viele unserer Mitarbeiter haben Kinder. Die Kitas waren zum großen Teil geschlossen. Da haben wir unseren Ballsaal so umgestaltet, dass wir eine Hüpfburg und weitere Spielzeuge aufstellen konnten. Die Mütter, die ihre Kinder nicht abgeben konnten, haben ihre Kinder zu uns gebracht. Oben auf der Dachterrasse wurde dann im Sommer sogar eine Sandkiste aufgebaut. Also, wir haben immer Kontakt mit den Mitarbeitern gehalten!

 

Für Sie und Ihre Familie ist das Hotel Vier Jahreszeiten Ihr Zuhause – nicht nur im übertragenden Sinne, sondern Sie wohnen tatsächlich im Hotel. Wirkt sich das auf Ihren Führungsstil oder das Miteinander im Hotel aus?

Ingo C. Peters: Man ist näher am Team, läuft häufig über die Flure im Hotel und hat den ständigen Kontakt. Wenn mal irgendwo etwas nicht läuft, kommen die Mitarbeiter auf einen zu – das hat sicherlich Einfluss auf den Führungsstil.

 

Macht das auch den Erfolg Ihres Hauses aus? Erst Ende letzten Jahres wurde Ihr Hotel zum zweiten Mal in Folge beim Ranking „Die 101 besten Hotels Deutschlands“ als bestes Hotel und gleichzeitig zum besten Grandhotel gekürt.

Ingo C. Peters: Es ist sicherlich ein Teil dessen und bringt einen großen Vorteil mit sich. Jeden Morgen findet bei uns im Hotel ein Morgenmeeting statt – wenn ich auf dem Weg dorthin bin, weiß ich meist schon längst, was dort besprochen wird, da die einzelnen Mitarbeiter häufig direkt auf mich zukommen.

 

Sie selbst haben im Hotel Vier Jahreszeiten gelernt, haben damals nach Ihrer Ausbildung viel internationale Erfahrung gesammelt: waren im The Berkeley in London, im WestIn Hotel Bosten, im Ritz-Carlton Philadelphia und zuletzt im Mandarin Oriental in Jakarta, in Indonesien, bevor Sie in das Hotel Vier Jahreszeiten nach Hamburg zurückkehrten. Haben Sie diese Erfahrungen und unterschiedlichen Mentalitäten auf den Umgang mit schwierigen Situationen vorbereitet?

Ingo C. Peters: Absolut! Wenn Sie in den verschiedenen Ländern arbeiten, sei es in England oder in den USA. Sie nehmen immer besondere Erfahrungen mit. Ich bin auch durch diverse Krisen gegangen – in den USA: die Wirtschaftskrise, der Irak-Krieg. Da ging die Wirtschaft runter. Dann in Asien: eine ganz andere Mentalität. Ohne die internationale Erfahrung hätte ich das Hotel hier nie so führen können und schon gar nicht durch die Krise. Das war eine unverzichtbare Erfahrung!

 

Lieber Herr Peters, wir danken Ihnen sehr für das sympathische Gespräch und freuen uns mit Ihnen über 125 Jahre Hotel Vier Jahreszeiten!
Seit 2009 ist das Hotel Vier Jahreszeiten für unseren Malereibetrieb ein überaus geschätzter Auftraggeber. Ob bei der Renovierung der prachtvollen Fassade, der Ausführung hochwertiger Maler- und Vergoldungsarbeiten in den Festsälen, Restaurants und Bars oder dem Anbringen exklusiver Tapeten – das Vier Jahreszeiten ist einer unserer schönsten „Arbeitsplätze“.
Die Corona-Pandemie stellte auch für unsere Betriebe eine große Herausforderung dar. Dass wir unsere Mitarbeiter:innen unvermindert weiterbeschäftigen konnten, verdanken wir Auftraggebern wie Herrn Peters, die mit Weitsicht planten und Zeiten des Leerstands und der Besucherausfälle für Arbeiten in ihren Häusern nutzten. Ein herzliches Dankeschön!

 

Informationen über das Hotel Vier Jahreszeiten finden Sie hier.